Da Lunge und Pankreas den oberen und mitteloberen Bereich beherrschen, sind sie Yang-Organe und die zugehörigen Konstitutionen Tejangin und Sojangin. Leber und Niere befinden sich in den unteren Bereichen, sind also Um bzw. Yin zugeordnet. Die Konstitutionslehre von LEE Jema basiert also auf dem Konzept von Yin und Yang.
In der TCM, die auf der 5-Elemente-Lehre basiert, sind es fünf statt vier Organe, aus der Sicht der zwölf Meridiane kommt das Perikard hinzu. Im Klassiker Huangdi Neijing steht, dass das Herz der Herr der fünf Organe und dieWiege des Geistes ist. Das Herz als beherrschendes Organ ist also nicht gleichrangig mit den vier übrigen Organen.
Im Buch »Die Veränderung«, auch ein chinesischer Klassiker, steht: »Das große Absolute gebiert Yin und Yang; Yin undYang gebären vier Symbole; die vier Symbole gebären acht Zeichen.«
Wenn wir den Menschen als das Absolute setzen, so entstehen aus ihm Mann und Frau, die man in »männlichen Mann« und »weiblichen Mann«, in »männliche Frau« und »weibliche Frau« unterteilen kann. Ist jemand ein Yang-Typ, wieviel Yang-Energie hat er? Ist jemand einYin-Typ, wieviel Yin-Energie hat er im Verhältnis zu Yang?
So kann man von den vier Konstitutionen, die LEE Jema in je einen inneren und äußeren aufgeteilt hat, auf acht Konstitutionen kommen. Dies wird deutlich, wenn wir uns die Verteilung der Organstärke ansehen.
Acht Kostitutionen - 16 Typen
Sojangin hat immer das größte Pankreas und immer die kleinste Niere. Zwischen diesen beiden befinden sich Lunge und Leber. Diese können groß oder klein sein, so dass sich jede der vier Grundkonstitutionen in zwei weitere unterteilt, wie es schon LEE Jema machte. Genau genommen handelt es sich um Mischkonstitutionen, die jeweils einen Anteil aus zwei Konstitutionen haben:
Organfolge
Sojangin-Tejangin ist besonders Yang-betont, denn die beiden stärksten Organe sind Lunge und Pankreas, beides Yang-Organe. Vergleichsweise schwach sind Niere und Leber. Sojangin-Tejangin wird von seinem schwächsten Organ geprägt: der Leber. Es ist erforderlich, die Leber zu regulieren (zu tonisieren). Soumin-Tejangin dagegen hat eine ausgeglichenere Struktur. Hier ist das dominierende Organ die Lunge. Folglich ist es im Krankheitsfalle wichtig, die Lunge zu regulieren (zu sedieren).
Es gibt, ähnlich der chinesischen Medizin, für jede Konstitution geeignete und weniger geeignete Lebensmittel. Wichtig sind sie jedoch nur für die Behandlung von Krankheiten oder zur optimalen Vorbeugung. Ein Mensch mit gesunder Konstitution kann auch unbekömmliche Lebensmittel in einem gewissen Maß vertragen.
Neben diesen acht Konstitutionen haben wir noch jeweils zwei Typen, je nachdem, ob wir einen größeren oder kleineren Anteil an Yin und Yang haben.
LEE Jema unterschied die Menschen nach ihrer Organstruktur. Die Konsequenz seiner Theorie: Für jeden Menschen bedarf es eigentlich nur einer einzigen Behandlung.
Da im Krankheitsfall das stärkste Organ stärker bleibt und das schwächste schwächer wird, muss man das stärkste sedieren und das schwächste tonisieren. Ebenso verfährt man mit den beiden Organen, die dazwischen liegen.
Diese Art der Behandlung gilt lebenslänglich, denn die Organstruktur ist genetisch festgelegt. Welchen Grund auch immer eine Erkrankung hatte - an der Organstruktur ändert sich nichts. Deshalb ist die Behandlung immer dieselbe, völlig unabhängig davon, ob es sich um eine Infekdon oder um Schmerzen handelt.
Doch eine wichtige Information ist LEE Jema schuldig geblieben: Wie kann ich die Konstitutionen unterscheiden? Natürlich finden wir Hinweise aus dem Körperbau, dem Denken, der Psyche und dem Temperament. Aber sie sind nicht immer verlässlich. Die Konstitution Teumin-Sojangin hat das Potential, sehr dick zu werden. Aber wenn sie sich zurückhält beim Essen und Naschen, bleibt sie schlank. Wer gelernt hat, sein überschäumendes Temperament zu zügeln, der wird nicht als Hitzkopf auffallen.
Kriterien zur Unterscheidung der Konstitutionen:
In der herkömmlichen Kinesiologie werden große Muskeln (Arm und Schulter) benutzt. Diese ermüden schnell und können so das Ergebnis verfälschen. Beim O-Ringtest werden die kleinen Fingermuskeln benutzt, die wesentlich ermüdungsärmer sind. Der Patient formt mit seiner rechten Hand einen Ring aus Daumen und Zeigefinger. Der Behandler versucht, mit seinen zu einem Ring geformten Daumen und Zeigefinger beider Hände, diesen Ring zu sprengen.
Zunächst wird die Kraft gemessen, die der Patient hat, wenn er nichts in seiner linken Hand hält. Danach bekommt er eine Frucht oder ein Gemüse, die für die jeweilige Konstitution geeignet ist, in die linke Hand. Der Behandler macht den Test erneut und stellt fest, mit welchem Material die Muskelkraft des Patienten am größten ist. Dies ist das Material, das für diese Konstitution das geeignete ist, und somit ist die Konstitution festgestellt.
- Chinakohl oder Banane fürTejangin - Möhre oder Rettich für Teumin - Gurke oder Melone für Sojangin - Kartoffel oder Orange für Soumin
Pulstastung
Speziell entwickelt für die koreanische konstitutionelle Medizin wurde
die Pulstastung, die
Das Prinzip liegt darin, die der Radialis‑Arterie naheliegende Sehne gegen die Arterie zu drücken und dann festzustellen, wo der Puls am stärksten ankommt. Verwendet werden dafür drei Finger. Praktisch ist es schwierig, denn die Finger benötigen Sensibilität. Vier Wochen lang habe ich in der Praxis von Dr. Puramo CHONG in Kwangmyeong nahe Seoul sechs Tage in der Woche von 9,00-18.00 Uhr knapp 2.000 Patienten untersucht. Nach der ersten Woche mit vielen Misserfolgen hätte ich am liebsten aufgehört. In der vierten Woche gab es keine Fehler mehr.
Ob O-Ringtest oder Pulstastung ‑ ein Problem bleibt: Beim O-Ringtest werden nur die vier Basiskonstitutionen festgestellt, bei der Pulstastung sogar nur drei: Sojangin, Teumin und Soumin. Tejangin ist allerdings eine sehr seltene Konstitution,
Das Problem liegt darin, zu entscheiden, welches der Organe einer Konstitution das stärkste oder das schwächste ist - durch Beobachtung und Anamnese.
Ich habe dreimal bei Dr. Chong hospitiert und dabei viele Erfolge gesehen, die ich mit meinen Mitteln in meiner Praxis nicht hätte erzielen können.
Akute Probleme werden oft nach der ersten Behandlung sofort und dauerhaft gebessert, z.B. Hexenschuss oder Bandscheibenvorfall. Wir hatten viele Patienten, die von ihren Angehörigen hereingetragen wurden, die nach halbstündiger Behandlung die Praxis aufrecht verlassen konnten, wenngleich noch nicht ganz gesund.
Wie für jede Behandlung, so gibt es auch für die koreanische Konstitutionsakupunktur Grenzen: Die Akupunktur kann nur die Energie verteilen, die im Körper vorhanden ist. Bei kachektischen Patienten darf man keine Erfolge erwarten. Die koreanische Medizin setzt dann Kräuter ein, die dem Patienten Energie zuführen können.
Korea ‑ das Land
Zum besseren Verständnis sind sicherlich einige Informationen über Südkorea nötig. Die koreanische Staatsflagge ist geradezu »naturheilkundlich«, zeigt sie doch das Ganze (Universum, Tao) als Kreis in der Mitte. Unterteilt ist der Kreis in die Wellen von Yin und Yang. Umgeben ist der Kreis von den Symbolen für Himmel, Erde, Feuer und Wasser
Das koreanische Essen ist wie aus einem Lehrbuch für gesunde Ernährung: vielfältig, viel Gemüse, viel Obst, Fisch und Fleisch, wenig Fett. Man bemüht sich, viele verschiedene Farben (Vielfalt) und viele Materialien zu verwenden. Berühmt ist Kimchi in vielen Varianten. Grundsätzlich dazu gehören Kohl, Knoblauch, Ingwer, Chili, Sesamkerne, fermentierter Fischfond. Die Zubereitung ist ähnlich wie bei unserem Sauerkraut. Die Märkte sind voll von Lebensmitteln, die ein Deutscher (auch wenn er viel gereist ist) zuvor kaum gesehen haben wird. Man sagt, dass Koreaner alles essen, was auf und in der Erde oder im Wasser wächst.
Die koreanische Naturheilkunde ist in der koreanischen Verfassung verankert. In Südkorea kann man entweder Schulmedizin studieren (die dort »westliche Medizin« genannt wird) oder asiatische Medizin. Beide Studiengänge sind gleichberechtigt, die Studiendauer beträgt jeweils sechs Jahre. So gibt es Schulmediziner, die nur Schulmedizin und traditionelle Ärzte, die nur die traditionelle Medizin durchführen dürfen
Nach dem Korea-Krieg gab es einen Boom für Schulmediziner. Damals gab es nur eine Universität, die die traditionelle Heilweise unterrichtete. Inzwischen hat sich das geändert. Viele Menschen haben festgestellt, dass die Schulmedizin viel mehr verspricht als sie hält. So haben sich viele (wieder) der traditionellen Heilkunde zugewandt.
In Südkorea gibt es wenig Absicherung für den Krankheitsfall. Lohnfortzahlung existiert nicht. Deshalb kommen viele Menschen in die Praxen mit ganz akuten Problemen, die man in Deutschland zumindest in Heilpraktikerpraxen eher selten trifft. Die staatliche Krankenversicherung zahlt sowohl für die schulmedizinische als auch für die traditionelle Behandlung. Wer in die Praxis kommt, muss bei jedem Besuch rund 3,50 Euro bezahlen. Den Rest, circa zehn Euro, bezahlt die staatliche Krankenversieherung.
Die traditionellen Ärzte dürfen ihren Patienten Heiltees verkaufen, die sie in ihrer Praxis zubereiten. Jeder traditionelle Arzt hat eine Kräuterküche und Arzneischränke mit mehr als 200 Heilkräutern. Schon wenn man eine Praxis betritt, empfängt einen oft der Duft der Kräuter. Die Kräuter werden in speziellen Maschinen extrahiert und in Plastikbeutel portioniert. Damit machen die Kräuterärzte den Großteil ihres beträchtlichen Einkommens (die Monatsdosis kostet bis 200 Euro). Die Menge beträgt ein Vielfaches der in Deutschland verwendeten Dosen. Aus knapp zwei Kilogramm Heilkräutern werden unter Druck bei rund 110° C in etwas mehr als drei Stunden rund fünf Liter Kräutertee, der es in sich hat. Erst wenn man einen solchen Tee probiert hat, weiß man, was »bitter« wirklich bedeutet! Für jede Konstitution gibt es einen speziellen Tee. Gefriergetrocknet könnte man ihn theoretisch auch nach Deutschland importieren. Leider steht da der Gesetzgeber vor. Allerdings sollte es möglich sein, einen Tee mit in Deutschland erhältlichen Drogen auf die koreanische Konstitutionsakupunktur abzustimmen. Fazit: Eine Reise nach Korea bringt eine Menge interessanter Erkenntnisse für uns Heilpraktiker.
aus: Der Heilpraktiker & Volksheilkunde, Ausgabe Juni 2004
Literatur:
Chong, Puramo: Konstitutionelle Medizin und Sa-am Akupunktur - Traditionelle Koreanische Medizin, MZ-Verlag Ltd., 2003, ISBN 3-89240-083-0 (das einzige Buch in deutscherSprache)
Die Schädelakupunktur nach Yamamoto stellt eine interessante Alternative dar. Sie auch: Homöopathische Befragung nach Sankaran Weitere Expert*innen teilen ihr Wissen mit uns. Inhaltliche Verantwortung und zur Kontaktaufnahme: Harald SchickeHeilpraktiker Schoolbring 12 27383 Scheeßel Web: www.mz-verlag.de
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